Mittwoch, 12. Februar 2025

Entscheidung vor der ersten Sekunde: Wollen Kinder wirklich in diese Welt geboren werden? Von Maurice Richardsons - Rezensionsexemplar

 Maurice Richardsons dystopischer Debütroman „Entscheidung vor der ersten Sekunde: Wollen Kinder wirklich in diese Welt geboren werden?“ inszeniert sich als existenzielles Laboratorium, das die Grenzen humanistischer Verantwortung erkundet. Vor dem Hintergrund des ökologischen Kollapses, des Klimawandels, militärischer Auseinandersetzungen und eines Auseinanderlebens der Gesellschaft entfaltet der Text eine ethische und existenzielle Zuspitzung: Ist die Fortführung menschlichen Lebens angesichts einer sich selbst zerstörerischen Zivilisation noch legitim?

Der Autor Maurice Richardson beleuchtet die aktuelle Debatte um § 218 von einem interessanten Standpunkt aus: Wollen Kinder in so einer destruktiven und gefährlichen Welt geboren werden? Ich finde die Thematik, die das Buch anspricht, sehr interessant. Leider geht der Autor meiner Meinung nach zu oberflächlich an das Thema heran. Ich hätte gerne mehr darüber erfahren, was für eine Gesellschaft ist, die die Entscheidung, ob Kinder geboren werden wollen, von Computerchips, fragwürdigen Methoden und Algorithmen abhängig macht. Auch die Themen patriarchale und technokratische Kontrollfantasien werden lediglich am Rande beleuchtet. Die Thriller-Elemente machen das Buch zu einer interessanten, aber auch spannenden Lektüre; diese Elemente werden aber nicht zwingend gebraucht, da das Thema so stark ist und die Elemente sogar vom eigentlichen Grundgedanken ablenken.

Das Buch lässt sich leicht lesen, dennoch musste ich beim Lesen ein paar Pausen einlegen. Ich habe mich immer gefragt und in mich reingehört, was es bedeutet hätte, hätte sich meine Tochter dazu entschieden, nicht geboren werden zu wollen – ein schrecklicher Gedanke, und genau das macht für mich als Leser einen interessanten Thriller aus.

Fazit: Ein interessantes Thema, das leider nicht ausführlich genug behandelt wird, über das es sich lohnt nachzudenken. Auch über die Frage, was bleibt vom Konzept der Elternschaft, wenn die Macht über Leben und Nicht-Geboren-Werden den vermeintlich Schutzbedürftigen selbst zufällt?

Entscheidung vor der ersten Sekunde: Wollen Kinder wirklich in diese Welt geboren werden? Von Maurice Richardsons - Rezensionsexemplar





Dienstag, 11. Februar 2025

Hunger von Knut Hamsung - Vorstellung

Hunger von Knut Hamsun (veröffentlicht 1890) ist ein zentrales Werk der norwegischen Literatur.

Die Geschichte ist eine Reise in die Abgründe des menschlichen Bewusstseins und schildert den körperlichen und geistigen Verfall eines jungen, erfolglosen Schriftstellers in Kristiania (heute Oslo). Hunger ist, wie der Titel bereits sagt, ein zentrales Thema dieses Buches, und zwar nicht nur der Hunger, der aus dem Nichtvorhandensein von Nahrung resultiert, sondern auch als Metapher für seine innere Leere. Knut Hamsun zeigt, wie extreme Entbehrung die Wahrnehmung verzerren kann und Halluzinationen sowie irrationale Entscheidungen zur Tagesordnung gehören. Der Protagonist will sich weder in die Gesellschaft integrieren noch benötigte Hilfe annehmen.

Der Autor nutzt innere Monologe und Gedankengänge, um die psychische Zerrüttung des Protagonisten darzustellen. Trotz des Interpretationsspektrums lässt sich das Buch gut lesen.

Hunger von Knut Hamsun (veröffentlicht 1890) ist ein zentrales Werk der norwegischen Literatur.


Montag, 10. Februar 2025

Die Hitze der Bürokratie von Nicole Hobusch aus dem Weltenportal Ausgabe Nr.5

Sabrina Schmitter befindet sich in einer prekären Situation: verworrene, abgenutzte Möbel und eine durch unerbittliche Hitze bedingte, stickige Atmosphäre. Die Umstände ihres Aufenthaltes in dieser beengten Behörde sind ihr selbst unklar, ebenso wie die Identität der Behörde. Sie begegnet einem Notar, völlig identitätslos, der völlig in seine Arbeit vertieft ist und über Sabrina offensichtlich umfassend informiert ist.

Die Autorin Nicole Hobusch thematisiert eindrücklich das beklemmte Gefühl, das jeder kennt, der bereits mit einem Anliegen in deutschen Behörden zu tun hatte, gepaart mit mystischen Elementen, die aus einem Alptraum entsprungen sind. Mystisch, kurzweilig, leider zu kurz, aber sehr gut zu lesen.

Die Hitze der Bürokratie von Nicole Hobusch aus dem Weltenportal Ausgabe Nr.5


Sonntag, 9. Februar 2025

Trophäe von Gaea Schoeters - Rezension

 „Trophäe“ von Gaea Schoeters ist als Roman ethisch sehr provokativ. Hunter White (ein passender Name des Protagonisten) ist ein wohlhabender amerikanischer Großwildjäger. Er hat in seinem Leben schon fast alles erreicht, als er nach Afrika reist, um das Nashorn zu jagen, das ihm fehlt, um seine Sammlung der „Big Five“ zu vervollständigen. Doch als Hunter von seinem Freund Van Heeren zum ersten Mal von den „Big Six“ hört, ist er anfangs etwas skeptisch.

Die Geschichte bringt uns Leser an unsere moralischen Grenzen. Anfangs neigen wir dazu, Hunter White zu schnell zu verurteilen, doch je mehr die Geschichte voranschreitet, desto mehr verschiebt sich unsere Vorstellung von Moral. Auch die Themen Postkolonialismus und Jagdethik sind zentrale Themen in diesem Werk und stellen gleichzeitig die Frage, was ein Menschenleben wert ist? Der Schreibstil ist einfach, bietet aber dennoch ein Leseerlebnis, das man so schnell nicht vergisst.

Fazit: Gaea Schoeters schreibt mit einer Sprachgewalt und zieht die Leser in die Welt der Jagd hinein und lässt sie nicht mehr los. „Trophäe“ hinterlässt einen bleibenden Eindruck und regt zum Nachdenken an.

„Trophäe“ von Gaea Schoeters ist als Roman ethisch sehr provokativ. Hunter White (ein passender Name des Protagonisten) ist ein wohlhabender amerikanischer Großwildjäger. Er hat in seinem Leben schon fast alles erreicht, als er nach Afrika reist, um das Nashorn zu jagen, das ihm fehlt, um seine Sammlung der „Big Five“ zu vervollständigen. Doch als Hunter von seinem Freund Van Heeren zum ersten Mal von den „Big Six“ hört, ist er anfangs etwas skeptisch.


Dienstag, 28. Januar 2025

Weiße Nächte von Fjodor Dostojewski - Vorstellung

Die Kurzgeschichte "Weiße Nächte" von Fjodor Dostojewski wurde erstmals 1848 veröffentlicht. Die Geschichte spielt in St. Petersburg und beschreibt vier Nächte

eines einsamen Träumers, der in dieser Zeit eine kurze, aber tiefe Verbindung zu einer anderen Person aufbaut.

Die Geschichte beginnt mit dem Erzähler, der seine nächtlichen Spaziergänge durch die Straßen St. Petersburgs beschreibt. Er fühlt sich oft isoliert und unverstanden, bis er eines Nachts auf Nastenka trifft, eine junge Frau, die um ihre Zukunft besorgt ist.

Die Geschichte ist in der Ich-Perspektive geschrieben, was den Leser tief in die Gedankenwelt des Erzählers eintauchen lässt und dadurch eine melancholische Grundstimmung bekommt.

Ein Thema der Erzählung ist die Einsamkeit und das Verlangen nach menschlicher Verbindung.

Die nächtliche Kulisse St. Petersburgs verstärkt die träumerische Atmosphäre der Erzählung.


Die Kurzgeschichte "Weiße Nächte" von Fjodor Dostojewski wurde erstmals 1848 veröffentlicht. Die Geschichte spielt in St. Petersburg und beschreibt vier Nächte


Montag, 27. Januar 2025

Hinter Mauern herausgegeben von Sarah Lutter und Jana Hoffhenke - Rezensionsexemplar

Die Anthologie „Hinter Mauern“, herausgegeben von Sarah Lutter und Jana Hoffhenke, versammelt 17 mittelalterliche Erzählungen, die in ihrer Länge variieren – von kurzen Episoden bis hin zu längeren Novellen. Eins haben aber alle Geschichten gemeinsam: Sie geben einen tiefen Einblick in die damalige Gemeinschaft.


Diese Vielfalt sorgt für eine abwechslungsreiche Lektüre, die sowohl unterhält als auch Spannung erzeugt und Lust darauf macht, sich mehr mit dem Mittelalter und dem damaligen (Irr-)Glauben der Menschen zu beschäftigen.


Was mir sehr gut gefallen hat, sind die detailgetreuen Zeichnungen von Detlef Kleber am Anfang sowie die kurze Vorstellung jedes einzelnen Autors am Ende der jeweiligen Geschichte. Was ich etwas vermisst habe bzw. mir gewünscht hätte, wäre ein kurzes Vorwort der Herausgeberinnen, was sie mit dem Mittelalter verbindet. Auch eine Orts- oder Zeitangabe vor jeder Geschichte hätte ich gut gefunden.


Fazit


Die Mauern des Mittelalters können schützen, aber auch bestrafen, aber auf jeden Fall bieten sie eine Menge Stoff für interessante Geschichten. Diese Anthologie bietet einen tollen Einstieg.


Hinter Mauern herausgegeben von Sarah Lutter und Jana Hoffhenke - Rezensionsexemplar




Freitag, 17. Januar 2025

Über Leben von Hanno Rinke - Rezensionsexemplar

Hanno Rinke schildert in seinem Buch "Über Leben" seine persönliche Familiengeschichte, die sowohl sein Leben nachzeichnet, als auch das seiner Eltern und Großeltern. Hanno Rinke führt den Leser durch die verschlungenen Pfade seiner Familiengeschichte, in der Zeit von 1870 bis 2024.

Die Familiengeschichte ist eine Geschichte voller Widersprüche. Ein Großvater war preußischer Offizier, der andere polnischer Jude; bei seiner Geburt war der Vater im Gefängnis und die Mutter ledig – kein einfacher Start ins Leben.

Besonders interessant fand ich die Schilderung der Zeit zum Ende des Zweiten Weltkriegs, da diese spannend und überzeugend geschildert wird.

Für mich war die wichtigste Erkenntnis, dass Heimat bzw. Zuhause etwas Fragiles ist. Hanno Rinke hatte in seinen frühen Jahren viele Orte sein Zuhause genannt.


Leider hatte ich Mühe, mich an den doch recht ausführlichen Schreibstil zu gewöhnen. Rinke präsentiert die Reise durch sein Leben aus der Ich-Perspektive, aber durch eine Abänderung des Erzählers (z. B. Wechsel von Hanno zu seinem Vater) wirkt dies oft verwirrend. Auch der schnelle Wechsel der Zeitebenen sorgt dafür, dass es kein Buch ist, das man so nebenbei liest.


Fazit

Ein sehr persönliches Buch über das Leben und Überleben. Eine interessante Familienchronik.



Kleiner Funfact

Im Jahr 2005 gründete Hanno Rinke die Guntram und Irene Rinke Stiftung. Die Stiftung widmet sich der deutschen Sprache und fördert junge Sprachtalente und Autoren.


Ein sehr persönliches Buch über das Leben und Überleben. Eine interessante Familienchronik.



Dienstag, 7. Januar 2025

Die Nibelungen aus der Insel Bücherei - Vorstellung

Die Nibelungen aus der Inselbücherei ist eine klassische Nacherzählung des berühmten deutschen Epos Nibelungenlied, das um das Jahr 1200 entstand. Diese Ausgabe wurde von Gretel und Wolfgang Hecht nacherzählt und ist farbig illustriert von Burkhard Neie.

Die Nibelungen aus der Inselbücherei erzählt die Geschichte von Siegfried, Kriemhild, Hagen und anderen Figuren, die in einem komplexen Netz aus Rache, Liebe und Verrat verstrickt sind.
Burkhard Neie hat die Geschichte mit ausdrucksvollen Illustrationen versehen, die Elemente aus Jugendstil und Scherenschnitt vereinen. Diese Illustrationen tragen dazu bei, die Atmosphäre und die Emotionen der Geschichte zu visualisieren und fügen sich wunderbar in die Geschichte ein.
Eine gelungene Umsetzung des Nibelungenlieds.


Die Nibelungen aus der Inselbücherei ist eine klassische Nacherzählung des berühmten deutschen Epos Nibelungenlied, das um das Jahr 1200 entstand. Diese Ausgabe wurde von Gretel und Wolfgang Hecht nacherzählt und ist farbig illustriert von Burkhard Neie.


Montag, 6. Januar 2025

Seine Exzellenz der Automat von Leo Gilbert - Vorstellung

„Seine Exzellenz der Automat“ von Leo Gilbert, in der Neuauflage „Seine Exzellenz der Android“, ist ein phantastisch-satirischer Roman, der 1907 veröffentlicht wurde.

Der Protagonist des Romans, der geniale Physiker Frithjof Andersen, konstruiert einen vollkommenen Automaten/Androiden namens Lars. Dieser Android ist so perfekt, dass er menschliche Eigenarten und sogar Gefühlsregungen nachahmen kann. Doch Lars emanzipiert sich von seinem Schöpfer und flieht. Lars macht als Großindustrieller Karriere und wird schließlich zum Minister ernannt.
Anfangs fiel es mir schwer, in das Werk einzusteigen, wurde dann aber von der humorvollen und interessanten Herangehensweise an die Gefahren und das Potenzial künstlicher Intelligenz gefesselt. Das Buch ist ein wichtiger Beitrag zur Science-Fiction-Literatur und bietet eine kritische Perspektive auf die Rolle der künstlichen Intelligenz in der Gesellschaft.

Der Roman wurde von den Nazis aus den Bibliotheken entfernt und geriet in Vergessenheit, bis Nathanael Riemer eine Neuauflage herausgab.

Fazit

Das Buch ist ein faszinierendes Werk, das sowohl unterhaltsam als auch nachdenklich stimmt. Ein vielleicht ein etwas anderes Buch zum Thema KI.

Das Buch ist ein faszinierendes Werk, das sowohl unterhaltsam als auch nachdenklich stimmt. Ein vielleicht ein etwas anderes Buch zum Thema KI.


Sonntag, 5. Januar 2025

KI-Tool "Demandsens" revolutioniert den Buchmarkt: Chancen und Herausforderungen

In der heutigen Zeit, in der Technologie und Künstliche Intelligenz (KI) eine immer größere Rolle spielen, hat Media Control ein neues Werkzeug entwickelt, das den Buchmarkt nachhaltig verändern könnte. Das KI-Tool "Demandsens" verspricht, Verlagen präzise Absatzprognosen für neue Bücher zu liefern, basierend auf beeindruckenden fünf Milliarden Datenpunkten.

Präzise Absatzprognosen dank KI


"Demandsens" bietet eine bemerkenswerte Treffsicherheit von bis zu 99 Prozent in Testphasen. Dies ermöglicht Verlagen, Handel und Branchenvertretern, Verkaufszahlen genauer vorherzusagen und Retouren zu reduzieren. Die genaue Prognose der Nachfrage kann dazu beitragen, Lagerbestände effizienter zu verwalten und Kosten zu senken.

Chancen und Risiken für den Buchmarkt


Während einige Beobachter die Gefahr für kleinere Verlage und unbekanntere Autoren sehen, argumentiert der Buchwissenschaftler Christoph Bläsi, dass Verlage schon immer auf Verkaufserfolge gesetzt haben. "Demandsens" steigere lediglich die Effizienz dieses Prozesses. Kritiker hingegen befürchten, dass das Tool zu einer Fokussierung auf Bestseller führen könnte, was unabhängige Verlage benachteiligen würde, die eher ungewöhnliche Werke veröffentlichen.

Keine inhaltlichen Entscheidungen durch "Demandsens"


Media Control betont, dass "Demandsens" lediglich Daten analysiert und keine inhaltlichen Entscheidungen trifft. Die Verlage können die Prognosen des Tools mit ihrem eigenen Wissen und ihrer Erfahrung ergänzen, um fundierte Entscheidungen zu treffen.

Fazit: Ein Blick in die Zukunft des Buchmarkts


Das KI-Tool "Demandsens" bietet spannende Möglichkeiten für die Buchbranche, birgt aber auch Herausforderungen. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Einsatz von Künstlicher Intelligenz auf die Vielfalt und Innovation im Buchmarkt auswirken wird.

Samstag, 4. Januar 2025

Ich erwarte die Ankunft des Teufels von Mary MacLane

Ich erwarte die Ankunft des Teufels" von Mary MacLane wurde von ihr mit 19 Jahren geschrieben und 1902 im Tagebuchstil und als Selbstporträt veröffentlicht. Das Buch hat gleich nach der Veröffentlichung einen Skandal ausgelöst, weil es mit traditionellen Werten bricht und voller provokanter und rebellischer Gedanken ist.

Das Buch beschreibt die Träume und inneren Kämpfe der jungen Mary MacLane, die sich einsam und unverstanden in der provinziellen Landschaft Montanas fühlt. Die Sprache ist kraftvoll, unverblümt und voller Emotionen, aber auch voller Größenwahn und Todessehnsucht auf der einen sowie Euphorie und Resignation auf der anderen Seite, was das Lesen sehr interessant macht.
Fazit: Mary MacLanes Werk ist ein wichtiger Beitrag zur Literatur und zur Geschichte der Frauenbewegung.

Ich erwarte die Ankunft des Teufels" von Mary MacLane wurde von ihr mit 19 Jahren geschrieben





Freitag, 3. Januar 2025

Der Weihnachtsfriede von Rebecca Maly - Rezension

Das Weihnachtsfest 1914 im Raum Ypern (Belgien) stellt ein außergewöhnliches, historisches Ereignis dar. Im ersten Kriegsjahr des Ersten Weltkriegs lagen dort überwiegend deutsche und britische Truppen in Stellung, oft nur wenige Meter voneinander entfernt. Am Heiligen Abend 1914 erklangen überraschend Weihnachtslieder aus beiden Lagern. Die Autorin beleuchtet diesen historisch belegten und wundersamen Moment detailliert, indem sie die Situation vor dem gemeinsamen Gesang und die ungewöhnliche Begegnung deutscher und britischer Soldaten im Niemandsland beschreibt; sie schildert ein gemeinsames Essen und Trinken, gefolgt von einem gemeinsamen Fußballspiel.

Franz berichtet seiner Schwester von diesen Ereignissen und zeigt sich tief beeindruckt von diesem friedlichen Augenblick. Die Ruhe ist jedoch nur von kurzer Dauer, denn bald kehrt die brutale Wirklichkeit des Krieges zurück. Arthur, ein britischer Soldat, mit dem Franz eine Freundschaft schließt, beginnt ebenfalls, seiner Familie Briefe zu schreiben. Das Schicksal führt diese beiden Familien zusammen.

Die Autorin zeichnet ein schlüssiges Bild und konzentriert sich im ersten Buchteil vorwiegend auf die kurze Friedensperiode zur Weihnachtszeit, während die Schrecken des Krieges davor und danach weitgehend ausgespart bleiben, was zu einem verzerrten Bild des Kriegsgeschehens führen kann und das Weihnachtswunder dadurch an Magie verliert. Im weiteren Verlauf wandelt sich die Geschichte zu einer vorhersehbaren Liebesgeschichte. Dadurch verliert das Buch nicht nur an Spannung, sondern entwickelt sich zu einer Mogelpackung, da der Klappentext etwas anderes versprochen hat.




Montag, 23. Dezember 2024

Der Junge im gestreiften Pyjama von John Boyne

Der Junge im gestreiften Pyjama von John Boyne ist sowohl ein Kinderbuch, als auch ein Roman für Erwachsene

Die Geschichte spielt während des Zweiten Weltkriegs und wird aus der Sicht von Bruno, einem 8-jährigen Jungen, erzählt. Bruno ist der Sohn eines Nazi-Offiziers und lebt mit seiner Familie in Berlin. Als sein Vater eine neue Position als Lagerkommandant erhält, zieht die Familie nach Auschwitz.

Dort trifft Bruno auf einen Jungen namens Shmuel, der auf der anderen Seite des Stacheldrahtzauns lebt. Bruno weiß nicht, dass Shmuel ein jüdischer Gefangener ist. Zwischen den beiden entwickelt sich eine heimliche Freundschaft.

Bruno und Shmuel verstehen nicht vollständig die Grausamkeit der Welt um sie herum, dies macht ihre Freundschaft zu etwas ganz besonderem. Auf der anderen Seite beleuchtet das Buch die Loyalität innerhalb von Brunos Familie, insbesondere die Beziehung zu seinem Vater. Die Sprache ist einfach und spiegelt die kindliche Perspektive von Bruno wieder. Die naive Sichtweise von Bruno, seiner Schwester oder auch von Shmuel dient dazu, die Schrecken des Holocausts indirekt, aber eindringlich darzustellen. Der Autor nährt sich diesem schweren Thema auf eine unkonventionelle Herangehensweise an, was aber zu Lasten der historischen Genauigkeit und zur vereinfachten Darstellung der Ereignisse führt.

Fazit

Das Buch regt dazu an, über die Tragödien des Holocausts nachzudenken und zu reflektieren. Es zeigt die zerstörerischen Auswirkungen von Vorurteilen, und Hass und bleibt als einprägsame und bewegende Lektüre im Gedächtnis. Wer eine historische Genauigkeit erwartet, wird sicherlich enttäuscht sein.


Der Junge im gestreiften Pyjama von John Boyne ist sowohl ein Kinderbuch, als auch ein Roman für Erwachsene




Sonntag, 22. Dezember 2024

Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne von Saša Stanišić

Was wäre, wenn man an dieser einen Weggabelung anders abgebogen wäre? Wenn man den Mut gefunden hätte, sich gegen alle Erwartungen zu stellen?

Saša Stanišić entführt uns in eine Welt, in der das Unmögliche zur Realität wird: den steinigen Pfad zu wählen, unkonventionelle Entscheidungen treffen oder die eine, wohlüberlegte Lüge auszusprechen, um zu sehen, wie sich die Entscheidung auswirkt.

Zu Beginn empfand ich das Buch als eher schlicht, was mich zu der Frage brachte, welchen tieferen Sinn die aneinandergereihten Geschichten haben könnten, die jeweils eine bemerkenswerte Komplexität aufweisen. Doch das Durchhalten wurde am Ende belohnt. Es lohnt sich, die Handlungen der Personen näher zu betrachten.

Fazit

Was wäre wenn? Mit dieser Frage haben wir uns alle schon einmal beschäftigt, das Buch bringt uns der Lösung auf diese Frage zwar nicht weiter, aber es ist unterhaltsam und lädt zum Nachdenken ein. Ein tolles Buch mit einem prägnanten Titel.


Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne von Saša Stanišić


Samstag, 21. Dezember 2024

IMITATHYOS: Das unendliche Alphabet von Matthias A. K. Zimmermann - Rezensionsexemplar

Mina wird vom Pech verfolgt. Die Psychologiestudentin wird kurz vor ihrem Abschluss mit einem Datenverlust ihrer bisherigen Arbeiten konfrontiert. Ihre Abschlussarbeit löst sich in einem Buchstabenwirrwarr auf. Mina beschließt, das Studium aufzugeben und sich ihrer Leidenschaft, der Schriftstellerei, zu widmen. Als sie dann die Möglichkeit bekommt, auf der geheimnisvollen und luxuriösen Insel Imitathyos Urlaub zu machen, ist sie dafür sofort Feuer und Flamme.

Würde man das Buch mit einem Wort beschreiben, dann wäre es „kafkaesk“. Als Leser findet man sich schnell in einer Welt wieder, die aus der Feder Franz Kafkas stammen könnte, und der Autor bedient sich auch der Welt von Kafka. Anfangs war mir Mina ziemlich unsympathisch, und auch die Geschichte fühlte sich zu gekünstelt an, aber im Laufe der Geschichte ergibt das Sinn.

Im weiteren Verlauf vermischen sich Mythologie, Utopie, literarischer Freigeist und Wortgewandtheit zu einer literarischen Reise, wie ich sie zuvor in dieser Konstellation noch nicht erlebt habe. Der Autor Matthias A. K. Zimmermann spielt mit dem Leser und seinen Protagonisten und durchbricht mehr als einmal die vierte Wand. Dieses direkte Interagieren mit dem Leser ist originell und erfrischend. Mit Mina bin ich persönlich nicht ganz warm geworden, was aber kein Problem war.

Fazit

Unsere Sprache besteht aus Buchstaben; der Autor A. K. Zimmermann spielt mit diesen, formt sie neu und erschafft etwas ganz Neues, Fragiles, nur um es dann wieder einzureißen. Ein Roman, vor dem Kafka seinen Hut ziehen würde.


Weitere Werke des Autors

INTOXIKATION. Chemie der Illusionen von Kristina Schippling und Matthias A. K. Zimmermann - Rezensionsexemplar

KRYONIUM. Die Experimente der Erinnerung von Matthias A. K. Zimmermann - Rezensionsexemplar


Unsere Sprache besteht aus Buchstaben; der Autor A. K. Zimmermann spielt mit diesen, formt sie neu und erschafft etwas ganz Neues, Fragiles