Sonntag, 4. August 2024

Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki von Haruki Murakami

In Haruki Murakamis Roman „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ wird die Geschichte von Tsukuru Tazaki erzählt, einem jungen Mann, der sich als Außenseiter in seiner engen Freundesgruppe empfindet. Diese Gruppe besteht aus fünf Mitgliedern, die alle eine Farbe in ihrem Namen tragen, während Tsukuru sich selbst als „farblos“ wahrnimmt.


Nach dem Abschluss der Oberschule verlässt Tsukuru seine Heimatstadt Nagoya, um in Tokio zu studieren. Trotz der räumlichen Trennung bleibt die Freundschaft zunächst bestehen. Doch als Tsukuru eines Sommers voller Vorfreude nach Nagoya zurückkehrt, wird er von seinen Freunden plötzlich und ohne Erklärung gemieden. Seine wiederholten Versuche, Kontakt aufzunehmen, bleiben erfolglos, bis er schließlich einen Anruf erhält, in dem ihm mitgeteilt wird, dass er sich fernhalten solle, da er den Grund dafür kenne. Diese unerwartete Zurückweisung stürzt Tsukuru in eine tiefe Krise.

Jahre später, inzwischen 36 Jahre alt, vertraut Tsukuru seiner neuen Freundin Sara seine Vergangenheit an. Sara ermutigt ihn, die Gründe für den Bruch mit seinen Freunden zu erforschen.

Der Schreibstil ist sehr flüssig und obwohl nicht alle offenen Fragen geklärt werden, finde ich das Buch sehr inspirierend. Der Autor gibt uns im Laufe der Geschichte mehrere Lösungsansätze an die Hand, die wir annehmen können, oder wir machen uns unser eigenes Bild.

Die Sprache ist sehr bildhaft, seien es die einzelnen Szenarien oder die Landschaft: Es entstehen automatisch Bilder beim Lesen.

Fazit: Eine literarische Pilgerreise, bei der Musik eine große Rolle spielt.

Samstag, 3. August 2024

Alles, was wir geben mussten von Kazuo Ishiguro - Rezension

Das Internat Hailsham präsentiert sich zunächst als ein idyllischer Ort im Herzen Englands, mit weitläufigen Sportanlagen und einladenden Klassenzimmern, wo Jungen und Mädchen in separaten Schlafgemächern untergebracht sind. Doch Hailsham ist kein gewöhnliches Internat. Hinter der Fassade der Normalität verbirgt sich eine ungewöhnliche Realität:

Die Lehrkräfte, die hier nicht Lehrer, sondern Aufseher genannt werden, vermitteln den Schülern, dass sie für ein außergewöhnliches Schicksal vorgesehen sind. Diese tief verwurzelte Überzeugung bildet das Band, das Kathy, Ruth und Tommy durch die turbulenten Zeiten der Pubertät und die Irrungen und Wirrungen der ersten Liebe zusammenhält. Doch schon bald beginnt das Band sich zu lösen, und die Gruppe muss sich ihrem auferlegten Schicksal stellen. Als Leser erhalten wir von Kathy, die noch nicht einmal 30 Jahre alt ist, einen Einblick in ihr Leben als Betreuerin und ihre Jugend in Hailsham. Kathy steht kurz davor, selbst bald Spenderin zu werden, und genau dieser persönliche Einblick macht das Buch so spannend. Anfangs hatte ich Probleme, in die Geschichte zu kommen, da ich mit dem „Spenden“ und drum herum nichts anfangen konnte und was es letztendlich bedeutet, war aber dann völlig gefesselt. Der Autor schafft es, obwohl wir das Ende schon früh erahnen können, die Spannung und das Drama bis zur letzten Seite aufrecht zu erhalten. Ich persönlich liebe Bücher, die einen zum Nachdenken anregen und dieses Buch schafft genau das. Die Geschichte bleibt im Kopf und wirkt nach. Was ich ein wenig bemängel, ich hätte gerne mehr über die Gesellschaft und die Hintergründe des "Spendens" erfahren.

Fazit: ein Coming of Age Roman, der in einer besonderen Umgebung und Setting spielt und den man nicht so schnell vergisst.

Freitag, 2. August 2024

SIGNED: Unterwegs mit der 1UP-Crew und Moses & Taps von Larissa Kikol - Rezensionsexemplar

Larissa Kikols Buch „Signed“ zeichnet ein fesselndes Bild der Graffiti-Szene und ihrer Protagonisten in und um Berlin. Die Autorin begleitet die international renommierten Künstler 1UP und Moses & Taps auf ihren nächtlichen Streifzügen und beleuchtet dabei den oft schmalen Grat zwischen kreativer Energie und politischem Aktivismus auf der einen und strafbaren Handlungen auf der anderen Seite, die diese Kunstform prägen.
Die Autorin beschreibt packend die einzelnen Aktionen der Sprayer und nimmt uns mit auf einen Blick hinter die Kulissen einer pulsierenden Szene, die professionell agiert.

Ich persönlich habe meine Meinung zum Thema Graffiti geändert. Früher waren es für mich oft sinnlose Schmierereien, inzwischen sehe ich sie als eigenständige Kunst und zudem als Mittel des Protests, um Machtverhältnisse zu hinterfragen und gesellschaftliche Missstände aufzuzeigen.
Larissa Kikol zeichnet ein vielschichtiges Porträt der Graffiti-Szene und ihrer Akteure, die tiefe Einblicke in ihre Motivationen und Lebenswelten gewähren.

Was ich ein wenig vermisst habe, sind mehr kritische Stimmen zum Thema Graffiti, auch in Bezug auf Gesundheit, Umwelt und Strafverfolgung etc.

Fazit: Graffiti ist Kunst und bringt Farbe in unsere oft grauen Städte. Ein interessantes Werk zu einer unterschätzten Kunstform.



Dienstag, 2. Juli 2024

Wie das Wetter Geschichte macht von Ronald D. Gerste - Hörbuch

Der Autor Ronald D. Gerste entfaltet in seinem Werk "Wie das Wetter Geschichte macht" eine faszinierende Perspektive auf die Macht der Natur über den Menschen. Mit Finesse zeichnet er nach, wie Hitzeperioden, eisige Kälte und gewaltige Sturmfluten nicht nur die Lebensumstände, sondern auch die Geschichte der Menschheit maßgeblich beeinflusst haben.

In einer Reise durch die Zeitläufe offenbart der Autor, dass die Geschichte der Menschheit untrennbar mit den Launen des Wetters verwoben ist. Er beleuchtet, wie sowohl schleichende Klimaveränderungen als auch abrupte meteorologische Ereignisse zu Wendepunkten in der menschlichen Entwicklung wurden. Das Hörbuch bringt eine neue Sichtweise in die Klimadebatte. Stellenweise wirkt das Buch aber etwas zu langatmig.

Der Sprecher Olaf Pessler schafft den geschichtlichen Kontext spannend und interessant vorzutragen.

Fazit: Ein interessantes Hörbuch, was jeder lesen oder hören sollte, der sich an der aktuellen Klimadebatte beteiligt.



Montag, 1. Juli 2024

Der Wald der verlorenen Schatten von Danbi Eo

Der Wald der verlorenen Schatten von Danbi Eo ist eine magische Fantasygeschichte über die Suche nach sich selbst. Hyoju eine junge Frau lebt ein einsames Leben, kaum wurde sie von ihrem Freund verlassen, verliert sie auch noch ihren Job.

Geplagt von rückständigen Mietzahlungen und Existenzängsten erfährt Hyoju, außerdem, dass ihre Großmutter gestorben ist, eine Frau, die sie niemals zuvor gesehen hat. Um etwas Abstand von ihrem trostlosen Leben zu bekommen, entschließt sie sich

in das Heimatdorf ihrer Großmutter zu reisen, dass an einem geheimnisvollen Wald liegt. Als Hyoju ausversehen diesen Wald betritt, verändert sich ihr Leben.

"Der Wald der verlorenen Schatten“ ist eine märchenhafte Geschichte, die versucht dem Leser einen Teil der koreanischen Kultur näherzubringen, was aber leider ohne Vorwissen nicht funktioniert. Es wäre schön gewesen, wenn manche kulturelle Gegebenheiten in einer Randnotiz oder später im Nachwort erklärt werden. Auch sprachlich wirkt das Werk etwas holprig, da gerade am Anfang die Passagen doch recht langatmig sind.

Fazit: Mit einem Grundwissen der koreanischen Kultur kann die Geschichte funktionieren.

Leider war mir die Magie des Werkes nicht zugänglich.

3 von 5 Schatten




Ihr wollt es dunkler von Stephen King - Rezensionsexemplar

Stephen Kings neuer Kurzgeschichtenband „Ihr wollt es dunkler“ enthält zwölf Geschichten, die unter anderem von einem Bestsellerautor handeln, der sein Erfolgsgeheimnis einem unheimlichen, überirdischen Wesen zuschreibt, einem Mann, der von einem Leichenfund träumt, oder einem Anwalt, der die Möglichkeit bekommt, für „kleines“ Geld Antworten auf jede von ihm gestellte Frage zu bekommen. (Hier musste ich sofort an Leland Gaunt aus Needful Things denken.)

Wir Leser erfahren auch, wie es Vic Trenton aus „Cujo“ nach dem Tod seines Sohnes erging.

Leider konnten mich am Ende nur zwei Geschichten überzeugen: einmal die bereits oben erwähnte Geschichte von dem Anwalt und „Die Träumenden“, in der ein Wissenschaftler versucht, hinter die Grenze zwischen Traum und Realität zu schauen. Gerade bei „Die Träumenden“ erkennt man, dass King sich von H. P. Lovecraft inspirieren ließ. Die anderen Geschichten sind in meinen Augen nichts Besonderes. Teilweise fehlt mir der Grusel, die Genialität oder einfach ein roter Faden, der uns aufzeigt, warum wir Leser „es dunkler wollen“. Es sind – bis auf die zwei, die mir richtig gut gefallen haben – ganz nette Geschichten, mehr aber auch nicht.

Fazit: Läutet King mit diesem Werk seinen Abschied ein? Dem König des Horrors fehlt es hier an Ideen und Genialität. Wir wollen es dunkler!

3,5 von 5 Sterne



Sonntag, 30. Juni 2024

Der Report der Magd von Margaret Atwood

Margaret Atwoods "Der Report der Magd" entführt uns in eine dystopische Vision der USA, umgeformt zur Republik Gilead – einem Ort, an dem Frauenrechte der Vergangenheit angehören und eine theokratische Herrschaft das Leben bestimmt. Erstmals 1985 veröffentlicht, zeichnet die Autorin ein beklemmendes Bild einer Gesellschaft, die auf Unterdrückung und Kontrolle aufgebaut ist.

Im Zentrum der Handlung steht Desfred, eine der seltenen fruchtbaren Frauen, die in dieser neuen Weltordnung eine zentrale Rolle spielt. Als Magd ist sie dazu verdammt, dem Kommandanten und seiner Frau Serena Joy Nachkommen zu schenken. Die Erzählung folgt ihrer Sichtweise und legt schonungslos die Tragödie ihres Daseins offen – geprägt von Einsamkeit und dem schmerzhaften Verlust ihrer eigenen Familie.

Margaret Atwoods Werk ist weit mehr als eine packende Geschichte; es ist eine scharfsinnige Analyse gesellschaftlicher Machtstrukturen und ein Plädoyer für individuelle Freiheit und für Gleichberechtigung. Mir hat das Buch sehr gefallen, da es sehr fesselt geschrieben wurde. In Rückblenden erfahren wir Stück für Stück, wie es zu diesen extremen Veränderungen der Gesellschaft gekommen ist. Wobei ich mir noch mehr Hintergrundinformationen (wie der Staat genau aufgebaut ist etc.) gewünscht hätte.

Fazit: Ein moderner Klassiker, der aufzeigt, wie fragil unser gesellschaftliches Leben ist.



Samstag, 29. Juni 2024

Der Fall Charles Dexter Ward von H. P. Lovecraft

Heute stelle ich euch einen Klassiker der Horrorliteratur vor: Der Fall Charles Dexter Ward von H. P. Lovecraft

Dieses düstere Werk, das posthum veröffentlicht wurde, erzählt die verstörende Geschichte von Charles Dexter Ward, einem jungen Mann aus Providence, Rhode Island. Er entdeckt die düsteren Geheimnisse seines Vorfahren, Joseph Curwen - berüchtigter Hexenmeister - und beginnt fortan eine unheilvolle Veränderung.

Lovecraft schafft eine beklemmende Atmosphäre, die die Leser in eine Welt voller okkulter Rituale, alter Geheimnisse und unaussprechlicher Schrecken zieht. Die Erzählung ist ein Meisterwerk der schleichenden Angst und zeigt Lovecrafts Talent, Horror mit psychologischer Tiefe zu verweben. Wenn ihr Lovecraft noch nicht kennt, ist dies eine perfekte Gelegenheit, in seine einzigartige Welt einzutauchen.

Habt ihr die Geschichte schon gelesen? Seit ihr Fans von Lovecrafts Geschichten?



Freitag, 28. Juni 2024

Das Goldene Haus von Salman Rushdie

"Das Goldene Haus" von Salman Rushdie erzählt die fesselnde Geschichte einer indischen Familie, die unter der Führung ihres Patriarchen in die USA flieht, um ein neues Leben zu beginnen. Das 70-jährige Familienoberhaupt, das sich in Anlehnung an den berüchtigten römischen Kaiser Nero Golden nennt, siedelt sich mit seinen drei Söhnen in New York an. Dort versuchen sie, sich von ihrer kriminellen Vergangenheit zu lösen und nehmen Namen aus der Antike an: Petronius, auch Petya genannt, kämpft mit Autismus und Agoraphobie; Apuleius, genannt Apu, wird ein gefeierter Künstler; und Dionysos, oder D, ringt mit seiner geschlechtlichen Identität.

Die Ankunft der Goldens weckt das Interesse ihrer neuen Nachbarn, insbesondere des Erzählers René, der Parallelen zum Erzähler Ismael aus "Moby Dick" aufweist. René, ein junger Filmemacher, sieht in der Familie Golden den perfekten Stoff für sein Lebenswerk und zieht bei ihnen ein, um ihr Leben aus nächster Nähe zu dokumentieren.

Die Leser werden Zeugen des dramatischen Niedergangs der Familie Golden, der durch lebendige und fast filmische Beschreibungen zum Leben erweckt wird. Trotz Neros dunkler Vergangenheit konnte er meine Sympathien gewinnen. Die innere Zerrissenheit der vielen Figuren wird meisterhaft dargestellt.

Rushdie nutzt eine Nebenfigur, den Joker, um den damaligen amerikanischen Präsidenten Donald Trump und seinen Wahlkampf satirisch darzustellen. Der Fall der Familie Golden spiegelt zu Teilen symbolisch den Niedergang der amerikanischen Gesellschaft.

Zusammenfassend ist "Das Goldene Haus" ein beeindruckender Roman, der einen intimen Einblick in den Untergang einer Familie bietet, die zum Scheitern verurteilt ist, und den Leser direkt ins Geschehen zieht.






Samstag, 8. Juni 2024

Das Buch vom Tee" von Kakuzo Okakura - Vorstellung

Tee hat in Japan eine tief verwurzelte kulturelle Bedeutung und ist weit mehr als nur ein Getränk. Er ist ein integraler Bestandteil des täglichen Lebens und wird bei verschiedenen Anlässen genossen, von alltäglichen Mahlzeiten bis hin zu speziellen Zeremonien. Das Buch "Das Buch vom Tee" von Kakuzo Okakura bringt uns die japanische Teekultur ein Stück näher. Das wegweisendes Werk "Das Buch vom Tee", das erstmals 1906 veröffentlicht wurde, gilt als maßgebliche Abhandlung über die japanische Teekultur.


Diese Zeremonie ist weit mehr als nur die Zubereitung des Tees, die Auswahl der Utensilien oder die Gestaltung des Raumes; sie ist eine Feier der Sinnesschärfung, der ästhetischen Perfektion und des harmonischen Bewegungsflusses, die zusammen ein lebendiges Kunstwerk erschaffen. Okakura prägte den Begriff "Teeismus" für die tiefgründige Philosophie, die dem Tee innewohnt, und veranschaulicht eindrucksvoll, wie der Tee seit dem 8. Jahrhundert in Japan kultische Bedeutung erlangte und von dort aus die Welt eroberte.

Die Neuauflage von Okakuras berühmtem Text wird durch die bezaubernden Illustrationen von Alexandra Klobouk und Eva Gonçalves bereichert und erscheint in der renommierten Insel-Bücherei.